Kind der Aare

Hansjörg  Schneider: Kind der Aare.
Diogenes 2018.

Was liegt zwischen Basel und Zürich? Genau, der Aargau. Dort ist der Schweizer Autor Hansjörg Schneider aufgewachsen. In seiner Autobiographie «Kind der Aare» taucht Schneider in seine Vergangenheit ein und wir dürfen «zuhören». Denn der Text liest sich stellenweise wie ein Transkript einer mündlichen Erzählung. Und wie es bei Mündlichkeit gang und gäbe ist, so schiebt auch Schneider in seine Lebensgeschichte allerhand ein. Das erinnert dann stark an einen Erzählenden, dem sich bei bestimmten Themen Assoziationen aufdrängen, die er sich im Moment des Aufkommens auch gleich von der Seele sprechen muss. Manchmal wirkt diese Vorgehensweise etwas hektisch, da sie den Erzählfluss bricht. Dennoch gelingt es Schneider beispielsweise gut, seine Kindheit sphärisch wiederzugeben und uns an einer Schweiz während des Zweiten Weltkriegs und vor allem nach 1945 teilhaben zu lassen. Da ist beispielsweise vom Leben in Zofingen die Rede, von seinem Elternhaus oder von den unterschiedlich guten Lehrern an der Kantonsschule in Aarau. Ebenso durchstreift man seine Studentenzeit in Basel und kann das Werden des Schriftstellers (u.a. an den vielen Hinweisen, welche Texte er in seinem Leben alle gelesen hat; sicherlich keine vollständige Liste) verfolgen. Besonders lesenswert sind Schneiders Ausführungen über seine Erfahrung als Stückeschreiber: wie er die Stadttheater erlebte, welchen Skandal Sennentuntschi auslöste oder wie es zu den sogenannten Landschaftstheatern kam.

An manchen Stellen beklagt sich Schneider über diverse Ungerechtigkeiten, die er in seinem Leben von unterschiedlicher Seite erfahren hat. Diese wenigen und durchaus kurz gehaltenen Beschwerden wirken, auch wenn sie nachvollziehbar sind, in ihrer Art etwas kleinlich und hinterlassen den Eindruck, dass der Autor diese Stiche noch nicht überwunden zu haben scheint. Für Schneider ist es offensichtlich wichtig, diese Begebenheiten aus seiner Sicht richtig- oder zumindest darzustellen. Zugleich lässt sich aber auch fragen, wo, wenn nicht in einer Autobiographie, könnte man sowas loswerden?

Für Aargauer/innen und solche, die es erst gerade wurden oder bald sein werden oder vielleicht irgendwann mal sein möchten, ist die Lektüre insbesondere des ersten Teils ein Herantasten der anderen Art. Eine literarische, eine sehr persönliche Annäherung an Argovia. Allen anderen ist das Buch insofern empfohlen, als dass sie ein Interesse am Autor selbst oder an einer schweizerischen Vergangenheit haben oder mehr über das angebliche Nichts inter Basilea Turicumque wissen wollen.