Olga

Bernhard Schlink: Olga.
Diogenes 2018

Bernhard Schlink – bekannt als Verfasser des Romans Der Vorleser – legt mit Olga eine Lebensgeschichte einer Frau vor und lässt diese vor dem immer wieder angedeuteten aber kaum konkretisierten Hintergrund der deutschen Geschichte spielen, die als Orientierung und ebenso als Beleg dafür fungiert, dass die Erzählung (und das Leben) voranschreitet. Im Zentrum steht die dem Buch den Titel gebende Olga und ihre Liebe zu Herbert. Diese beiden finden schon in Jugendjahren zueinander und lassen sich auch nicht vom vorherrschenden Standesdenken, das um 1900 eine solche Beziehung noch als unerwünscht kategorisiert, abhalten. Obwohl diese Liebe in späteren Jahren v.a. durch Herberts zahlreiche Abwesenheiten und schliesslich durch sein Verschollen auf einer Expedition geprägt ist, ist sie in Olgas Leben zentral. Nicht nur haben sie einen gemeinsamen Sohn (von dem Herbert nichts weiss), sondern auch nach seinem endgültigen Fernbleiben lässt sie nicht von ihm ab und schreibt immer wieder Briefe an ihn, die am ursprünglichen Ausgangspunkt von Herberts Expedition gesammelt werden. Diese dort gesammelten Briefe bilden schliesslich den Abschluss und letzten Abschnitt des Buches und werden sozusagen dort „abgedruckt“.

Olga selbst kommt aus einfachen Verhältnissen und arbeitet sich durch Beständigkeit, Beharrlichkeit und Autodidaktik zur Lehrerin hoch. Diesem Beruf geht sie viele Jahre mit viel Freude und Einsatz trotz widriger Umstände nach. Auch nachdem sie ihren Beruf aufgrund ihrer aufgetreten Gehörlosigkeit aufgeben muss, bleibt sie auf eigenen Füssen stehen und sorgt mit Näharbeiten für ihr Auskommen. Olga ist eine selbstständige, selbstbewusste und unabhängige Frau uns entsprach somit nicht dem gängigen Frauenbild ihrer Zeit. Obwohl der Roman das ganze Leben Olgas abhandelt und über dreihundert Seiten lang ist, bleibt die Geschichte als solche und Olga im Speziellen überraschenderweise eher flach. Die Erzählung ist insgesamt zu seicht und es fehlt ihr an Tiefenschärfe in vielerlei Hinsicht. Nach der Lektüre könnte man sagen: „Ganz nett“, viel mehr aber auch nicht, denn insgesamt bleibt dieser doch zeitlich wie biographisch gross angelegte Roman zu blass. Daran ändern auch die zahlreichen Briefe, die Olga über die Jahre an ihren Herbert schreibt und am Ende des Buches versammelt sind, sowie der immer wieder von Olga kritisierte deutsche Grössenwahn (dem auch Herbert und ihr Sohn anheim fallen) wenig.