Franziska Schutzbach: Revolution der Verbundenheit

Inmitten einer scheinbar tief zerrütteten und krisengeschüttelten Gesellschaft fragt Franziska Schutzbach nach Perspektiven der Verbundenheit. Die Soziologin und Sachbuchautorin zeigt anhand zahlreicher fesselnder Beispiele aus Vergangenheit und Gegenwart, wie Frauen trotz Spaltung und Differenz durch ihre Beziehungen Revolutionen ermöglicht haben. Wie sie patriarchale Strukturen in Alltag und Politik lockerten, weil sie sich verbündeten und befreundeten. Sie beschreibt, was möglich ist, wenn Frauen sich an anderen Frauen orientieren. Sie zeigt aber auch, wie schwer das ist. Denn die Spaltung der Frauen ist eine der Grundlagen patriarchaler Macht. Einigkeit und Harmonie sind keine Selbstverständlichkeit unter Frauen, es gibt Risse und Differenzen, wir finden Zerwürfnisse, Entsolidarisierung und Machtausübung. Und einen großen Mangel an Zeit. Auch diesen Herausforderungen geht das Buch auf den Grund. Anhand von Essays und Briefen lässt Franziska Schutzbach in diesem Buch eine Revolution der Verbundenheit als eine konkrete und persönliche Praxis spürbar werden. Ein leidenschaftliches Plädoyer für stärkende, ermutigende weibliche Beziehungen.

Franziska Schutzbach: Revolution der Verbundenheit. Droemer 2024.

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Faruk Šehić: Von der Una

»Von der Una« ist der Versuch, ein persönliches Kriegstrauma schreibend zu verarbeiten und zu überwinden. Wir folgen der Hauptfigur des Romans durch drei Zeitabschnitte: Kindheit und Jugend in Jugoslawien vor dem Krieg, Fronterfahrung während des Bosnienkrieges und schliesslich der Versuch, nach dem Konflikt ein normales Leben zu führen.
In einer lyrischen, meditativen Prosa rekonstruiert Faruk Šehić das Leben eines Mannes, der sowohl Kriegsveteran als auch Dichter ist. Der Historiker lehrt uns, was geschehen ist, der Dichter, was für gewaltige emotionale Spuren es hinterlassen hat und der Ästhet, wie man auch noch aus den schmerzhaftesten Erinnerungen den maximalen Genuss ziehen kann.

Faruk Šehić: Von der Una. Voland & Quist 2025.

Meral Kureyshi: Im Meer waren wir nie

Lili zieht ins Altersheim, um ihrem pflegebedürftigen Mann zur Seite zu stehen. Ihre Familie sucht jemanden, der sie regelmässig besucht und ihr im Alltag hilft. Die Ich-Erzählerin sagt: «Ich bin dieser Jemand.»
Sie wohnt mit Lilis Enkelin Sophie im selben Haus, gemeinsam ziehen sie deren achtjährigen Sohn Eric gross. Doch sie hat eine Stelle in einer fernen Stadt gefunden und zögert nun, den beiden zu gestehen, dass sie bald wegziehen wird.
Sie kümmert sich um den klugen, besserwisserischen Eric und die stets klagende Lili. Sie führt flüchtige Gespräche mit einem Kellner, der wie sie von anderswo kommt. Gleichzeitig gewöhnt sie sich nur schwer daran, dass ihre zehn Jahre jüngere Schwester kein Kind mehr ist. Sie ringt mit der verblassenden Freundschaft zu Sophie und mit der Tristesse des Altersheims zwischen Temesta und Kartenspiel. Als Lili schliesslich stirbt, wagen die jungen Frauen einen Neubeginn.
Mit realistischem Blick und poetischer Sprache beleuchtet Meral Kureyshi das Leben von Frauen über mehrere Generationen und entfaltet ein Panoptikum der Familie in der heutigen Zeit.

Meral Kureyshi: Im Meer waren wir nie. Limmat Verlag 2025.

Daniel Glattauer: In einem Zug

Eduard Brünhofer, ehemals gefeierter Autor von Liebesromanen, sitzt im Zug von Wien nach München. Nicht unbedingt in der Absicht, sich mit der Frau frühen mittleren Alters im Abteil zu unterhalten. Schon gar nicht in der Absicht, mit ihr über seine Bücher zu sinnieren. Erst recht nicht in der Absicht, über seine Ehejahre mit Gina zu reflektieren. Aber Therapeutin Catrin Meyr, die Langzeitbeziehungen absurd findet, ist unerbittlich. Sie will mit ihm über die Liebe reden. Dabei gerät der Schriftsteller gehörig in Zugzwang.


Daniel Glattauer: In einem Zug. Dumont 2025

Manfred Koch: Rilke

Rainer Maria Rilke gilt als einer der grössten Dichter des 20. Jahrhunderts. Seine Kunst sei «Dinge machen aus Angst», schreibt er im Juli 1903 seiner ehemaligen Geliebten Lou Andreas-Salomé. Manfred Koch zeigt in seiner neuen, Leben und Werk gleichermassen in den Blick nehmenden Biographie Rilke als hochsensibles Echolot und geschlechtlich fluidesten Dichter der heraufziehenden Moderne. So entsteht die mitreissende Erzählung eines radikalen Lebens, das ganz Kunst sein will und dadurch eine Wahrnehmungssensibilität entfaltet, die erschreckend nah in Berührung kommt mit den Abgründen in ihm selbst und in seiner Zeit.

Manfred Koch: Rilke. Dichter der Angst. C. H. Beck Verlag 2025.

Jonas Lüscher: Verzauberte Vorbestimmung

Ein algerischer Soldat gerät in den ersten deutschen Giftgasangriff, beschliesst, einer müsse damit aufhören, steht auf und geht. Im Kairo der Zukunft beobachtet eine Stand-up-Comedian eine Androidin beim Lachen über ihre Witze. Ein böhmischer Weber wird durch einen automatisierten Webstuhl ersetzt, raubt einen Hammer und attackiert den Apparat. Wovon träumen wir Menschen des Kapitalismus, wovon unsere sich zunehmend gegen uns erhebenden Maschinen? Im einzigartigen Spiegelraum dieses Romans ist kein Konflikt vorbei und noch jede Geschichte möglich.

Jonas Lüscher: Verzauberte Vorbestimmung. Hanser 2025.

Monika Helfer: Wie die Welt weiterging

365 Geschichten über die Welt und das Leben – persönlich, ehrlich, klug. Monika Helfer macht aus kleinen Alltäglichkeiten grosse Erzählungen, erzählt mitreissend von Abenteuern und Begegnungen, unternimmt literarische Streifzüge durch die Natur. Im Rhythmus eines ganzen Jahres zieht uns dieses Lebensbuch hinein in das reiche Universum einer grossen Schriftstellerin, voller Merkwürdigkeiten, voller Schönheit. Nach der Lektüre bleiben das Glück und der Trost, der Spezies Mensch anzugehören, die so wunderbar, so grausig, so schön, so verrückt, so traurig, so lustig ist.

Monika Helfer: Wie die Welt weiterging. Geschichten für jeden Tag. Hanser 2024.

Hiroko Oyamada: Das Loch

Ein junges Paar entzieht sich der lauten Grossstadt-Hektik und entscheidet sich für einen Neustart auf dem Land. Es ist ausgerechnet das Heimatdorf ihres Mannes, das Haus neben den Schwiegereltern, in dem Asa sich an den Alltag einer Hausfrau gewöhnt, während ihr Mann fast rund um die Uhr arbeitet. Die Temperaturen sind heiss, die Zikaden nicht zu überhören und der einzige Fluss in der Gegend wirkt vor lauter Müll «wie aus Gelatine gemacht». 

Eines Tages macht sich Asa bei flirrender Sommerhitze auf den Weg in den Nachbarort und fällt unterwegs in ein tiefes Loch, das scheinbar nur für sie gegraben wurde. Zwar kann sie sich mit Hilfe befreien, doch nun zieht es sie immer mehr in eine unheimliche, eigenmächtige Welt. Flora und Fauna nehmen überbordend viel Raum ein, um sie herum wächst, blüht, krabbelt und beisst es. Seltsam fremdartige Wesen begegnen ihr. Kann Asa der eigenen Wahrnehmung noch trauen? 

Das japanische Original erschien vor 10 Jahren und erhielt den wichtigsten Literaturpreis Japans. Nun liegt das Buch bei Rowohlt auch auf Deutsch vor, übersetzt von Nora Bierich. 

Hiroko Oyamada: Das Loch, Rowohlt 2024.

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Mithu Sanyal: Antichristie

London 2022, die Königin ist tot! An den Trauernden vorbei rennt Durga: internationale Drehbuchautorin, Tochter eines Inders und einer Deutschen, und voller Appetit auf Rebellion und Halluzinationen. Durga soll an einer Verfilmung der überbritischen Agatha-Christie-Krimis mitarbeiten. Doch auf einmal ist es 1906, und sie trifft indische Revolutionäre, die keineswegs gewaltfrei wie Gandhi kämpfen. Und dann explodiert die erste Bombe. Was wäre richtiger Widerstand in einer falschen Welt?

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Auch 2025: Erzählräume im Labyrinth!

Wie schön, dass Birgitta Schermbach auch 2025 den «Erzählraum» ins Labyrinth bringt! Jeden Monat stehen für einmal nicht die Bücher im Zentrum, sondern das Erzählen eigener Geschichten und das Zuhören von Alltagserfahrungen anderer. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, mit offenen Ohren und eigenen Geschichten vorbeizuschauen.

Was ist ein Erzählraum?
Wir leben in einem Raum aus Erzählungen. Dieser Raum macht unser Weltverstehen aus. Es ist daher von zentraler Bedeutung, neben dem Erzählen ein offenes Ohr für die Geschichten der Anderen zu entwickeln. Wenn wir also im gesellschaftlichen Leben Erfahrungen lebendig halten und nutzbar machen wollen, müssen wir Räume schaffen, in denen Menschen unterschiedlicher Altersklassen ihre Erfahrungen erzählen und anderen zuhören können. Dabei ist es elementar, von Herzen zu sprechen und sich neuen Sichtweisen anzuvertrauen ohne sie als richtig oder falsch zu bewerten.

Jeweils 1x / Monat an einem Mittwochabend von 18.30 – 20.00 Uhr
Anmeldung erwünscht: kontakt@birgittaschermbach.ch

Eintritt frei, mit Kollekte


Mittwoch, 8. Januar
Auf der Suche nach dem Glück

Alle suchen wir wahrscheinlich bewusst oder unbewusst das Glück. Manchen scheint es in den Schoss zu fallen, doch für viele realisiert sich das Glück oft erst nach der Bewältigung mehr oder weniger schwieriger Aufgaben.
Worin auch immer das dauerhafte Glück bestehen mag, das erkunden wir gemeinsam in diesem Erzählraum. 

Mittwoch, 5. Februar
Humor ist alles ist Humor

Spendet Blödsinn Trost in tristen Zeiten? Wie häufig richten Sie Ihre Mundwinkel nach oben? Wann machen Sie sich mal keine Sorgen und tanzen stattdessen? Lassen Sie uns über den Humor im Leben erzählen und zuhören.

Mittwoch, 19. März
Geheimnisvolle Schätze und schätzenswerte Geheimnisse

Geheimnisse sind oft mit einem Verbot oder Gebot verknüpft. Und dann ist man so neugierig, dass man das Verbot übertritt, weil man hinter das Geheimnis kommen will. Welche Verbotsbereiche dürfen denn nicht angetastet werden und welche gilt es zu hinterfragen? Gibt es auch Verbote wie die zivile Gesetzgebung, die überlieferte Moral oder die innere Stimme des Gewissens, die uns nützliche Grenzen setzen? Darüber wollen wir erzählen und zuhören.

Mittwoch, 9. April
Mit List zum friedlichen Miteinander

Eine Märchenbetrachtung zum Frieden und anschliessendem Erzählen, Sinnieren und Zuhören darüber.

Mittwoch, 7. Mai
Nichts tun – das gute Leben

Ist das Leben zu wertvoll, um es mit Arbeit zu verbringen? Oder macht es uns eine gute Ausbildung leichter, pfiffiger mit der Arbeit umzugehen? Könnte es sein, dass wer nüchtern rangeht, bessere Ergebnisse erzielt und mehr Zeit für das «Restleben» hat?
Lassen Sie uns gemeinsam eine der ältesten und wichtigsten Sehnsüchte der Menschheit erkunden. Nämlich das zu tun, worauf man Lust hat, und nicht das tun, was man muss.

Mittwoch, 4. Juni
Fluchen Sie – ob in Nadelstreifen oder Unterhose – herzlich drauflos!

Flüche haben etwas Gerades, Offenes. Auf ein Donnerwetter folgt meist gutes Wetter. Ein Fluch ist ein vom geordneten, bewussten Denken unabhängiger Ausdruck einer Emotion, dessen Bedeutung nicht in Erwägung gezogen wird. Oft dient der Fluch als Blitzableiter des Zornes und stellt eine Art Sicherheitsventil für den angesammelten Dampf der Leidenschaft dar.
Erzählen wir einander unsere Lieblings-Flüche und Schimpfwörter! Auf das unser Fluch-Repertoire nach diesem Erzählraum mit originell kreierten Schimpfwörtern erweitert werde! 

Mittwoch, 3. September
Ge-zwist-er – die dauerhafteste und komplexeste Beziehung

Sind Eltern die Architekten der Geschwisterbeziehung? Oder wächst jedes Geschwisterkind gewissermassen mit anderen Eltern auf, weil sich die Lebensumstände der Familie mit jeder Geburt ändern? Lassen Sie uns über Geschwisterbeziehungen erzählen und darüber, ob Sie und Ihre Geschwister füreinander Freund:in oder Rival:in waren und sind.

Mittwoch, 15. Oktober
Ein Soldat mit seiner Uniform ist mehr als nur eine Sandkastenfigur

Das Spielzeug ist immer ein Spiegelbild der Gesellschaft. Es stellt die grosse Welt im Kleinen dar. Am Material, mit der das Spielzeug hergestellt wurde, lässt sich ablesen, in welcher Zeit wir unterwegs sind. Spielzeug ist nicht nur Zeitvertreib, es fördert Lernen.
Erzählen Sie uns über Ihr liebstes Spielzeug, weshalb es Ihr liebstes war oder heute noch ist, und welche Fantasie es beflügelt.

Mittwoch, 5. November
Die Kostbarkeit der Zeit

Da war doch erst kürzlich der Türrahmen, an dem, Jahr für Jahr mit Bleistift, Datum und Grösse von Ihnen und Ihren Geschwistern markiert wurde, oder?!

Und heute, zum Jahresende, schenken wir einander Erzählungen des Wachstums, die Zeit brauchten, und in denen wir unsere Entwicklung begreifen und spiegeln können. Denn solche Erzählungen sind kostbar und freuen sich über die Zeit, die wir ihnen lauschend schenken!