Bernardine Evaristo: Blondes Herz

Was wäre, wenn der afrikanische Kontinent die Welt erobert hätte und Sklavenhandel mit Europäern betreiben würde?

Eben noch spielt Doris mit ihren Schwestern Verstecken auf den Feldern hinter ihrem Cottage. Im nächsten Moment wird ihr ein Sack über den Kopf gezogen und sie findet sich im Laderaum eines Sklavenschiffs wieder, das in die Neue Welt segelt. Dort muss sie einem Feudalherrn dienen, der von ihrer Minderwertigkeit überzeugt ist. Doch Doris kann nicht aufhören, von ihrer Flucht zu träumen. In den folgenden Jahren setzt sie alles daran, ein freier Mensch zu werden. Als ihre Fluchtversuche scheitern, wird sie zur Strafe auf die Zuckerrohrfelder geschickt. In den Plantagen, an der Seite der starken Wikingerin Ye Mémé, entdeckt Doris jedoch eine ungekannte Stärke in sich. Unerwartet findet sie zurück zu ihrem blonden Herz. Und am Ende sogar zu ihrem ungebrochenen Freiheitswillen.

Bernardine Evaristo: Blondes Herz. Tropen bei Klett-Cotta 2025.
Übersetzt aus dem Englischen von Tanja Handels.

Anna Rosenwasser: Herz

Wir alle können Hoffnung gut gebrauchen – aber ohne eine Auseinandersetzung mit dem, was uns wütend macht, geht das nicht. Anna Rosenwasser widmet sich in Herz. Feministische Strategien und queere Hoffnung den Fragen, die ihr als Aktivistin häufig gestellt werden: Wie können wir uns mit der Realität von Gewalt beschäftigen, ohne unsere Zuversicht zu verlieren? Wohin mit unserer Wut, die bei problematischen Diskussionen aufkommt? Warum fällt es vielen Frauen und Queers so schwer, Raum einzunehmen – und mit welchen Tricks schaffen wir es trotzdem?

Die Texte beschreiben heutige Realitäten von Frauen und queeren Menschen mit Einfühlsamkeit und Humor. Sie öffnen Perspektiven, beleuchten allzu oft Missverstandenes und ermutigen, nicht alleine zu verzweifeln, sondern gemeinsam fantasievollen Widerstand zu leisten. Nicht zuletzt gewährt das Buch persönliche Einblicke in die Lebens- und Gedankenwelt einer jungen Nationalrätin.

Anna Rosenwasser: Herz. Feministische Strategien und queere Hoffnung. Rotpunktverlag 2025.

500 Jahre Bauernkrieg

Im Jahr 1525 erheben sich die Bäuer*innen im süddeutschen Raum und angrenzenden Gebieten, vom Elsass bis nach Tirol, von der Schweiz bis nach Thüringen. Es handelt sich um den grössten Massenaufstand auf europäischem Gebiet: Rund tausend Burgen und Klöster werden erobert oder zerstört, während sich der Aufstand, dem sich immer mehr Dörfer und Städte anschliessen, wie ein Lauffeuer ausbreitet. Für Wochen befinden sich die betroffenen Territorien faktisch in der Hand der «Bauernhaufen» – bis zur blutigen Niederschlagung, die hunderttausend Tote fordert.

Der Bauernkrieg markiert einen epochalen Umbruch: Kapital, Handel und Kolonialismus nehmen Fahrt auf, während feudalistische Strukturen erodiert werden – und mit ihnen dörfliche Gemeinschaften und Bewirtschaftungsformen. Die Bauernaufstände von 1525 sind somit auch eine Reaktion auf die beginnende «Einhegung der Allmende». Als Verstärkerin wirkt die Reformation, wobei der Buchdruck erlaubt, die Vision einer universellen Gerechtigkeit in ungewohnter Schnelligkeit zu verbreiten.

Handwerker*innen und Städter*innen unterstützen die bäuerlichen Aufstände, weshalb in der Geschichtsforschung auch von einer «Revolution des kleinen Mannes» gesprochen wird. Allerdings setzt sich die Obrigkeit durch – mithilfe von Söldnern, die durch frühkapitalistische, kolonialistische Handelshäuser finanziert werden. Die Niederschlagung der Aufstände wird daher als Siegeszug der kapitalistischen Moderne gewertet. Auch für die Frauen ist es eine Umbruchszeit, weil sie immer mehr in die Rolle der Hausfrau gedrängt werden.

Rund um das 500. Gedenkjahr sind einige Bücher erschienen, die sich aus heutiger Optik mit all diesen Aspekten befassen. Mit «500 Jahre Widerstand – für das Leben, für das Land» ist ausserdem eine Kampagne entstanden, die das Jubiläumsjahr begleitet und danach fragt, was bäuerliche Kämpfe, historisch und aktuell, global und bei uns, für feministische, antikoloniale und emanzipatorische Bewegungen bedeuten können.

Mehr dazu auf 500jahre.org

Valerie-Katharina Meyer & Julia Rüegger: Und überlaut die Zikaden

Und überlaut die Zikaden ist ein lyrischer Dialog: In ihm begegnen sich verschiedene Stimmen, auch die Stimmen zweier Schreibender. Sie warten am Hafen und im Supermarkt, streifen durch Seitenstrassen und Schneelandschaften und sammeln hellwach Berichte von tierischen und menschlichen Leben. Eindrücke aus nahen und fernen, realen und imaginären Nachbarschaften.

Valerie-Katharina Meyer & Julia Rüegger: Und überlaut die Zikaden. Edition Mosaik 2025.

Michael Köhlmeier: Die Verdorbenen

Anfang der Siebziger kommt Johann zum Studieren in die Stadt, den Kopf voll wirrer Träume. Er trifft Christiane und Tommi, die ein Paar sind und ihn in ihre Mitte nehmen. Gemeinsam erkunden sie die hellen und die dunklen Seiten der Liebe, gefangen in einem Dreieck, das sich immer enger zuzieht.

Michael Köhlmeier: Die Verdorbenen. Hanser 2025.

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Franziska Schutzbach: Revolution der Verbundenheit

Inmitten einer scheinbar tief zerrütteten und krisengeschüttelten Gesellschaft fragt Franziska Schutzbach nach Perspektiven der Verbundenheit. Die Soziologin und Sachbuchautorin zeigt anhand zahlreicher fesselnder Beispiele aus Vergangenheit und Gegenwart, wie Frauen trotz Spaltung und Differenz durch ihre Beziehungen Revolutionen ermöglicht haben. Wie sie patriarchale Strukturen in Alltag und Politik lockerten, weil sie sich verbündeten und befreundeten. Sie beschreibt, was möglich ist, wenn Frauen sich an anderen Frauen orientieren. Sie zeigt aber auch, wie schwer das ist. Denn die Spaltung der Frauen ist eine der Grundlagen patriarchaler Macht. Einigkeit und Harmonie sind keine Selbstverständlichkeit unter Frauen, es gibt Risse und Differenzen, wir finden Zerwürfnisse, Entsolidarisierung und Machtausübung. Und einen großen Mangel an Zeit. Auch diesen Herausforderungen geht das Buch auf den Grund. Anhand von Essays und Briefen lässt Franziska Schutzbach in diesem Buch eine Revolution der Verbundenheit als eine konkrete und persönliche Praxis spürbar werden. Ein leidenschaftliches Plädoyer für stärkende, ermutigende weibliche Beziehungen.

Franziska Schutzbach: Revolution der Verbundenheit. Droemer 2024.

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Faruk Šehić: Von der Una

»Von der Una« ist der Versuch, ein persönliches Kriegstrauma schreibend zu verarbeiten und zu überwinden. Wir folgen der Hauptfigur des Romans durch drei Zeitabschnitte: Kindheit und Jugend in Jugoslawien vor dem Krieg, Fronterfahrung während des Bosnienkrieges und schliesslich der Versuch, nach dem Konflikt ein normales Leben zu führen.
In einer lyrischen, meditativen Prosa rekonstruiert Faruk Šehić das Leben eines Mannes, der sowohl Kriegsveteran als auch Dichter ist. Der Historiker lehrt uns, was geschehen ist, der Dichter, was für gewaltige emotionale Spuren es hinterlassen hat und der Ästhet, wie man auch noch aus den schmerzhaftesten Erinnerungen den maximalen Genuss ziehen kann.

Faruk Šehić: Von der Una. Voland & Quist 2025.

Meral Kureyshi: Im Meer waren wir nie

Lili zieht ins Altersheim, um ihrem pflegebedürftigen Mann zur Seite zu stehen. Ihre Familie sucht jemanden, der sie regelmässig besucht und ihr im Alltag hilft. Die Ich-Erzählerin sagt: «Ich bin dieser Jemand.»
Sie wohnt mit Lilis Enkelin Sophie im selben Haus, gemeinsam ziehen sie deren achtjährigen Sohn Eric gross. Doch sie hat eine Stelle in einer fernen Stadt gefunden und zögert nun, den beiden zu gestehen, dass sie bald wegziehen wird.
Sie kümmert sich um den klugen, besserwisserischen Eric und die stets klagende Lili. Sie führt flüchtige Gespräche mit einem Kellner, der wie sie von anderswo kommt. Gleichzeitig gewöhnt sie sich nur schwer daran, dass ihre zehn Jahre jüngere Schwester kein Kind mehr ist. Sie ringt mit der verblassenden Freundschaft zu Sophie und mit der Tristesse des Altersheims zwischen Temesta und Kartenspiel. Als Lili schliesslich stirbt, wagen die jungen Frauen einen Neubeginn.
Mit realistischem Blick und poetischer Sprache beleuchtet Meral Kureyshi das Leben von Frauen über mehrere Generationen und entfaltet ein Panoptikum der Familie in der heutigen Zeit.

Meral Kureyshi: Im Meer waren wir nie. Limmat Verlag 2025.

Daniel Glattauer: In einem Zug

Eduard Brünhofer, ehemals gefeierter Autor von Liebesromanen, sitzt im Zug von Wien nach München. Nicht unbedingt in der Absicht, sich mit der Frau frühen mittleren Alters im Abteil zu unterhalten. Schon gar nicht in der Absicht, mit ihr über seine Bücher zu sinnieren. Erst recht nicht in der Absicht, über seine Ehejahre mit Gina zu reflektieren. Aber Therapeutin Catrin Meyr, die Langzeitbeziehungen absurd findet, ist unerbittlich. Sie will mit ihm über die Liebe reden. Dabei gerät der Schriftsteller gehörig in Zugzwang.


Daniel Glattauer: In einem Zug. Dumont 2025

Manfred Koch: Rilke

Rainer Maria Rilke gilt als einer der grössten Dichter des 20. Jahrhunderts. Seine Kunst sei «Dinge machen aus Angst», schreibt er im Juli 1903 seiner ehemaligen Geliebten Lou Andreas-Salomé. Manfred Koch zeigt in seiner neuen, Leben und Werk gleichermassen in den Blick nehmenden Biographie Rilke als hochsensibles Echolot und geschlechtlich fluidesten Dichter der heraufziehenden Moderne. So entsteht die mitreissende Erzählung eines radikalen Lebens, das ganz Kunst sein will und dadurch eine Wahrnehmungssensibilität entfaltet, die erschreckend nah in Berührung kommt mit den Abgründen in ihm selbst und in seiner Zeit.

Manfred Koch: Rilke. Dichter der Angst. C. H. Beck Verlag 2025.