Dana Grigorcea: Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen.
Dörlemann 2018
In der Novelle Dana Grigorceas dreht sich alles um die Liebschaft zwischen der nicht mehr ganz jungen Balletttänzerin Anna und dem jüngeren Gärtner Gürkan. In einem Kaffee versucht Gürkan das sonst im Buch kaum vorkommende, aber immerhin den Titel prägende maghrebinische Hündchen von Anna anzulocken. Aus diesem ersten Aufeinandertreffen ergibt sich eine Affäre. Für Anna ist das vorerst nichts Aussergewöhnliches, hatte sie im Laufe ihres Lebens doch schon zahlreiche Liebschaften. Die ehemalige Primaballerina ist mit einem Arzt verheiratet, der offensichtlich nicht ganz zur kunstaffinen Anna passen will. Es ist vielsagend, wenn er ohne Namen bleibt und nur als ihr Mann bezeichnet wird. Im Buch als auch in Annas Leben spielt er offensichtlich nur eine Nebenrolle.
Nachdem Gürken, der eigentlich im Aargau wohnt und für einen Auftrag in Zürich gärtnert, mit der Arbeit in der Limmatstadt fertig ist, kommt es zum Ende der Romanze. Für Anna beginnt mit dem Sommer eine Zeit, in der sie sich trotz Parties und einer Reise nach Venedig zunehmends alleine und unruhig fühlt (sie kann nicht mehr gut schlafen) und dann feststellen muss, dass Gürkan mehr ist, als eine kurze Liebelei, denn sie vermisst ihn sehr.
Schliesslich macht sie sich auf zu seinem Wohnort und passt ihn dann an einem Flohmarkt ab. Obwohl er sich sehr erschrickt (wohl mehr aufgrund der Angst, dass er mit ihr gesehen wird und die ganze Sache auffliegen könnte), freut er sich sehr, sie zu sehen und auch Anna ist glücklich, ihn wieder vor sich zu haben. Für die beiden beginnt nun eine schöne und harmonische Zeit. Sie spazieren unzählige Male durch Zürich und kehren immer wieder in der Rio Bar ein. Ist es Zufall, dass diese Bar gegenüber der sogenannten «Gessnerallee Zürich» liegt, einem Haus, in dem Kunst (u.a. auch Theater) einen Platz hat und wo auch ein Teil der Zürcher Hochschule der Künste (u.a. die Schauspielschule) untergebracht ist? Die Beziehung zu Gürkan haucht Anna neue Lebensfreude ein (Stichwort: Herbstzeitlose) und sie nimmt am Ballett sogar wieder eine Hauptrolle an, obwohl sie in der letzten Zeit v.a. eher Nebenrollen übernahm, die nicht mehr zu intensivem Tanzen verpflichteten. Auch Gürkan lebt auf, ist er doch in seiner Ehe eher unglücklich und unzufrieden.
Ob diese Liebesbeziehung zu einem Ende kommt, obwohl Gürkan Anna sehr liebt und eigentlich mit ihr leben will, bleibt am Ende offen. Auch Anna ist von ihrem schönen Gärtner sehr angetan und fühlt innig für ihn, aber die letzten Zeilen lassen erahnen, dass diese Bekanntschaft nicht mehr sehr lange dauern wird. Dies wird nicht nur durch Annas Gedanken klar, sondern auch durch die zeitliche Struktur, die Grigorcea der Novelle zugrunde legt. Die Liaison beginnt im Frühling, wird im Sommer kurzzeitig unterbrochen und findet ihren (letzten?) Höhepunkt im Herbst. Gibt der Text nun nicht vor, liegt es nicht in dessen Anlage, dass die beiden auseinander gehen müssen? Zumindest deutet einiges darauf hin.
Anna Grigorceas Buch ist nicht nur eine Hommage an Anton Tschechows «Die Damen mit dem Hündchen», sondern auch die Geschichte einer Liebe zweier ungleicher Menschen, so leicht wie das Ballett. Für diesen Pas de deux scheinen sich die richtigen gefunden zu haben. Doch wie jede Aufführung kommt auch dieser Liebestanz zu einem Ende, nur dass die Erzählung aufhört, bevor der Vorhang fällt. So können sich alle Lesenden den Ausgang dieses hier gegebenen Stückes selbst erdichten.