Elisabeth Masé «Das schlafende Krokodil»

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Das Romandebut der aus Basel gebürtigen, in Berlin lebenden und tätigen Autorin und darstellenden Künstlerin Elisabeth Masé versammelt Szenen einer Kindheit, der Kindheit eines Mädchens. Die Erlebnisse und Wahrnehmungen werden durchwegs aus der Sicht des Mädchens erzählt, jedoch unter strikter Beibehaltung der sächlichen ES-Form. Indes ist die ES-Form hier nicht die Möglichkeit einer Objektivierung, die das Ich zu seinem Schutz vorgibt. Die ES-Form ist, ganz allgemein ausgedrückt, das Auswendige des Mädchens, Hülle, Körper, Haut, Erscheinung, Fleisch.

Man könnte von einem Schirm, einer Art Projektionsfläche sprechen, auf dem und durch den, was dem Mädchen passiert und sich ihm ereignet, abgebildet wird. Das Mädchen scheint in einer Höhle zu sein.

Das Mädchen passiert Kindheit, frühe Jugend, Schulzeiten, Sportferien, erste Freundschaften, Pubertät, Adoleszenz, Beziehungen, Studium. Die erste Szene ist dabei eine Schlüsselszene, um das Mädchen in seinem ES, in seiner Höhle, in seiner Art Abwesenheit zu tasten. Kippbilder, Umstülpungen, Träume, Verwandlungen, Angstbilder verhalten das Mädchen in seiner Verbannung. Dort, in der Abgeschiedenheit, schläft, hinter Glas, das Krokodil.

Das Mädchen wartet, dass das Krokodil aufwacht.

Schon früh gibt es die rebellische, doch klare Überzeugung: «Ich werde Malerin […].» (38) Es produziert Zeichnungen, zu jeder Zeit, an jedem Ort: «Es lebt auf Papier […].» (37)

Zeichnungen und Bilder der Autorin begleiten auch den Text. Alters- und Entwicklungsstufen produzieren verschiedene Stile. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass dieser permanente Prozess analog zum Prozess der ES-Erzählung eine Projektionsfläche bietet, für das Krokodil und für den Stift in der Hand.