Es herrscht Krieg gegen die Ukraine – trotzdem lesen?

Auch im Labyrinth sind wir betroffen und sprachlos angesichts der Tatsache, dass die Bevölkerung in der Ukraine täglich tiefer in eine Spirale der Gewalt gezogen wird. Es gibt diesen vergeblichen Wunsch, die Weltuhr gemeinsam ein Stück zurückzudrehen, um vielleicht doch noch zu verhindern, was bereits passiert ist. Der Krieg, der seit dem 24. Februar 2022 die gesamte Bevölkerung der Ukraine erfasst hat, findet in der Ostukraine bereits seit acht Jahren statt. Das Repertoire an Desinformation und Faktenverdrehung, durch das dieser Krieg legitimiert wird, hat sich Putin während seiner über 20-jährigen Regierungszeit angeeignet. Das Vorgehen der russischen Truppen gegen die Zivilbevölkerung hat eine Vorgeschichte – in den Kriegen in Syrien, Georgien, Tschetschenien, Afghanistan.

Vielleicht ist es hilfreich, ein Buch ukrainischer Autor*innen in die Hand zu nehmen. Nicht, um sich dem Schrecken der Gegenwart zu entziehen, sondern um diesen besser zu verstehen. Viele Schriftsteller*innen in der Ukraine erzählen in ihren Texten, wovon sonst kaum berichtet wird. Sie schreiben auch dann, wenn die mediale Aufmerksamkeit wieder nachgelassen hat. Gerade in diesen Tagen, in denen es so schwer fällt, Worte zu finden und sich zu äussern, tun es einige von ihnen doch. Viele ihrer Bücher sind übersetzt und es tut gut, sie zu lesen. Es tut gut, wenn sich in dieser aufgehitzten Zeit der lauten Slogans und eindeutigen Wahrheiten zwischen zwei Buchdeckeln ein vielstimmiger Raum öffnet. Ein Raum, in dem unterschiedliche Erfahrungen und Wahrnehmungen nebeneinander Platz finden.

Vielseitige und bedeutsame Stimmen gegen den Krieg gibt es auch unter den Schriftsteller*innen in Russland, wo der Krieg nicht mehr Krieg genannt werden darf. Beispielsweise Ljudmila Ulitzkaja, Lev Rubinstein und Vladimir Sorokin. Die Ukraine und Russland sind durch unzählige Familien- und Beziehungsgeschichten miteinander verwoben. Doch der Angriffskrieg der russischen Armee gegen die Ukraine hat eine Kluft zwischen die Menschen geschlagen, die wohl nicht wieder zu überbrücken ist. Wie jeder bewaffnete Konflikt ebnet auch dieser Krieg das Feld für allzu feste Zuschreibungen und Pauschalisierungen. Auch wir, die wir den Schrecken aus Entfernung betrachten, versuchen uns zu orientieren. Wenn die Ukrainer*innen auf der einen und die Russ*innen auf der anderen Seite stehen, mag es übersichtlicher wirken. Doch eine solche Schubladisierung ist mit Blick in die Zukunft nicht nur gefährlich, sie verdeckt auch klar das Wesen dieses Krieges. Die Übersetzerin Iryna Herasimovich betont, dass der Kampf gegen Putins Angriffs­krieg in der Ukraine, die oppositionellen Stimmen in Russland sowie der Widerstand in Belarus Glieder ein und derselben Kette sind.

So sieht es auch das Labyrinth. Wir möchten bewusst Autor*innen aus der Ukraine, aus Russland und aus Belarus berücksichtigen und haben in diesem Sinne eine Auswahl an Büchern zusammengestellt, die sich zu lesen lohnt. Die Auswahl ist nicht abgeschlossen. Wenn Sie von einem passenden Titel gehört oder ihn bereits gelesen haben, ergänzen wir unsere Auswahl gerne. Wenn Sie eine Solidaritätsveranstaltung rund um den Krieg gegen die Ukraine planen und gerne einen Büchertisch vor Ort hätten, nehmen Sie mit uns Kontakt auf.

Bild: „Nein zum Krieg!“; aus dem Telegramchat „Feminists against war“.

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