«Wir haben es nicht gut gemacht.»
Am 21. November ist er erschienen – der von der literarischen Öffentlichkeit lange erwartete Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch. Auf über 1000 Seiten erhalten wir Einblick in die private Korrespondenz der beiden Sprachvirtuos*innen. Es ist eine der berühmtesten Liebesgeschichten der deutschsprachigen Literatur.
Ihre erste Begegnung und sogleich auch der Beginn ihrer Liebesbeziehung fand im Juli 1958 in Paris statt, es kam zu Episoden des Zusammenlebens in Zürich, in Uetikon am See, in Rom. Auf das Krisenjahr 1959 folgte eine offene Beziehung. Max Frisch wünschte sich zweitweise ein Bekenntnis schwarz auf weiss, eine Ehe; Ingeborg Bachmann schrieb, sie wolle „einfach leben in einer Wolke von Zärtlichkeit“.
Das fragmentarische Bild der Beziehung zwischen Bachmann und Frisch, das sich beim Lesen der umfangreichen, aber nicht vollständigen Sammlung an Briefen ergibt, zeigt eine abgründige Liebesgeschichte mit vielen Kipp- und Wendepunkten sowie zahlreichen Nebenfiguren. Es ist ein ständiges Pendeln zwischen Sehnsucht und Vorwurf, zwischen vehementer Liebesbekundung und kühler Distanz. Zwischen Zugewandtheit, Zuneigung und Zärtlichkeit und kleinen Sticheleien, die weh tun und immer mehr zu offenen Verletzungen werden.
Zu Beginn des Jahres 1964 kam es zum endgültigen Bruch, Ingeborg Bachmann forderte Max Frisch dazu auf, ihr alle an ihn gerichteten Briefe zurückzugeben. Ihre Bitte wurde nicht erfüllt. Max Frisch versicherte ihr jedoch, vor einer Publikation der Korrespondenz brauche sie sich nicht zu fürchten.
Knapp 60 Jahre später kommt es nun zur Veröffentlichung. Ist das okay? Die 1973 verstorbene Ingeborg Bachmann hätte die Frage damals mit „nein“ beantwortet. Ihre Geschwister gaben jedoch nun das Einverständnis und die von Max Frisch testamentarisch festgelegte 20-jährige Sperrfrist lief bereits 2011 ab. Dürfen wir diese sehr privaten Briefe lesen? Es bleibt ein gewisses Dilemma. Auf jeden Fall ist zu wünschen, dass die Leser*innen auf vorschnelles Urteilen verzichten und diesen Briefwechsel möglichst achtsam und vertrauensvoll lesen.
Die Edition des Briefwechsels zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch ist zugleich Teil der Ingeborg-Bachmann-Gesamtausgabe. Den Titel liefert ein Zitat von Max Frisch. Entstanden ist die Publikation als Kooperation zwischen dem Max-Frisch-Archiv Zürich und der Ingeborg-Bachmann-Forschungsstelle im Literaturarchiv Salzburg. Herausgeber*innen sind Hans Höller, Renate Langer, Thomas Strässle und Barbara Wiedemann.
Wir empfehlen sehr die ausführliche Rezension, die der Literaturkritiker Daniel Graf für die Zeitschrift „Republik“ geschrieben hat.