Franz Kafka / Guy Davenport „Die Aeroplane in Brescia“

Eine wunderbare – mehrfache – Stilstudie über ein frühes Event in der Geschichte der Aviatik. – Kafkas Text nimmt einen Zeitungsbericht zum Ausgangspunkt, Davenport’s Text hingegen denjenigen von Kafka, der Übersetzer-Kommentator übernimmt diesen Flugmodus und schreibt ein exquisites Stück ‘aviatische Literatur (-geschichte)’.

Kafkas Text hat zwei Anfänge. Der erste startet mit einem Zeitungsbericht, doch der Bericht ist nur Anlass, als Beobachter entlassen zu werden und selbst in das Geschehen aufzubrechen. Beim zweiten ist er in Brescia, am Ort des grossen Ereignisses angekommen und bricht auf zur abenteuerlichen Fahrt zum Flugfeld. «Eine künstliche Einöde ist hier geschaffen worden […].“ (13) Trotz des Gemenges an Besuchern und Fahrzeugen, trotz der Dichte an Situationen, Signalen, Bewegungen und Lärm scheint die Szenerie diese Leere aufgenommen zu haben und ohne Staffage auszukommen, ausser vielleicht den vorgelagerten  Hangars, «die mit ihren zusammengezogenen Vorhängen dastehen wie geschlossene Bühnen wandernder Komödianten.» (12) Diese eigentümliche Szenerie scheint selbst die Bedingung zu sein, dass sie, durch eine geheimnisvolle ‘union’ mit den Flugzeugen, selbst Teil des Flugs wird. So wie der Mensch Teil der Maschine ist, ist die Szenerie Teil der Bewegung. Wir befinden uns gleichsam in einer späten Ära des Futurismus.

Nichts anderes geschieht mit Kafkas Text im Weiterschreiben von Davenport. Er wird in mehreren Elementen aufgenommen, Kafka selbst zur Spielfigur. Damit gewinnt der Text von Davenport, aviatisch gesprochen, eine Höhe, die wohl dem Imaginären gebührt. Gemäss dem kongenialen Kommentar des Übersetzers überfliegt der Text von Davenport auch die Ereignisse, die auf Kafkas Text folgen. Im Zweiten Weltkrieg werden Flugzeuge und Flieger nicht zur staunenswerten Bewunderung der Bevölkerung eingesetzt, sondern zu vernichtenden Angriffen auf Städte. Der scheinbar gleichgültige Überflug hat vermutlich mit dem Land zu tun, «in dem man Zenos Bewegung verstehen konnte. Die monotone Gleichförmigkeit Italiens liess an die Einzelbilder eines Films denken», der eine andere «Kontinuität der Dinge» herstellt und gewährt, Bilder, die beiläufig und weit unten vorbeiziehen. (42,43,51)

Die Aeroplane in Brescia. – Engeler Verlag, Schupfart 2021

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